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Manzura Nurmatova
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Nurmatova Manzura wurde 1991 in der Stadt Khudjand der Sogdischen Region geboren. 2012 absolvierte sie ihr Fremdsprachenstudium an der Staatlichen Gafurov-Universität Khudjand. Sie ist Magister am Lehrstuhl für Deutsche Sprache.
Gedichte
Weh, wie mich verschwenden
Daniela Seel
Weh, wie mich verschwenden, kündig mir meinen Gehorsam auf, aber wem gegenüber? Trägerlos Irrwischs Hemdchen, ein Dunst nur, glimmendes Diadem, gegen ein schmächtiges Ufer gedreht, als kennte Sex keine Passivität. Sollst nicht halten, sollst dauern, dauern. Immer noch ein geräumiges Ausblasen lang. Doch über Gründen – Auspizien gelesen aus Linsen, drin atemlos gackern die Ungeschlüpften, die in mich Geschickten, dass ich nicht schlafen kann. Unverfügbar bist ‒ Kind keiner Mutter, Glücksdämon, Pflicht? ‒Schh‒schhh‒
Hätt ich die eine Orange
Daniela Seel
Hätt ich die eine Orange, wollt ich sie teilen mit den andern, den Höllenreitern, wollt ich Versäumnisse scheiden, ein Sagengebinde, vom Nimmerbereiten, auskühlend und vor Routinen blind, hätt ich die zweite, die windgescheite, ich schälte aus Scham einen Ring, würde Morgen darüber, die Mähnen bleich, oh lausiger Geiz – wo ist die Orange jetzt hin?
Dass ich aufgehe in Atomen von Wasser
Rike Scheffler
Dass ich aufgehe in Atomen von Wasser, als Liederzyklus, Monomythos, Myriaden verbunden, nicht mehr bloß ich. Warum noch heldenhaft festhalten an Identität und Binaritäten, es ist mir ein Rätsel. Als wäre ich all dies nicht längst gewesen Planeten, Schuld, Fabelwesen, Regen, Regen, ein anderer Puls. Dass ich in jeder Zelle erkenne: Lamas, Hexen, Buddhas, Blutspuren, das Quicken junger Delfine, Verwesung und Tod. Datenströme in den Kniekehlen, Gameten, Tiden, Ursprung von Zeit. Gemeinsam mit Wasser bin ich Jahrhunderte Auswurf, Begehren. Will ich in seinen Netzwerken aufgehen, loslegen, heilen
felder offen für jedes licht
Anja Kampmann
felder offen für jedes licht als würden sie ihre eigenen ränder wieder und wieder nachziehen sich ihrer lage vergewissern als wäre da nichts als die lage die gelassenheit, in der sich die farben sammeln in streifen, zacken, angeschrägten kästen ohne tiefe wie etwas vorübergehendes lack, den du mit einem nagel abkratzt das bild, das wir voneinander behalten ohne zu verstehen.
Ungetüm oder
Daniela Seel
Ungetüm oder getürmt unter Krähenflug, draus Verlangen. Diskreter als Regen, gerinnt in Basalt. Auf einem Lehrpfad? Gurgeln Heiligenbildchen ihr Ach – aus den Schütten, Liebling du unter den Fichten, wo Schwindel mich überstimmt. Aber für Riesen, Spleißwerke geisterhaft in die Höh. – Leben als Menschen? Und über den Winter? Amboss flockt, Unrast, dass es unbedingt dampft. Nächtelang sträubt mich die Hand. Dass sie auch fledert, sollst du nicht sehen. Tod, mein säumiges Kissen, Krähenruf mich zu schließen. Wohin mit den Schuhen? Ich in deinem Rücken, Echolot, insgeheim bloß. Sämtliches Bergen, von Bergen ein Lehen.
Die Mirabellen
Daniela Seel
Die Mirabellen verschwinden vor ihrer Süße. Wegen der Amseln vielleicht. Oder wegen des Schattens, des Schattens in meinem Verdacht. Wie ich die Küken verwünschte in ihrer Niedlichkeit, die noch das Halsumdrehen verleidet. Sind es denn Tiere, die schreien? Dass Schreien einmal nur Gackern sei! «Aier eraus, Speck eraus, sonst robbe mer‘m Gickel de Schwanz enaus!» Un‘ 's ganze Mannsvolk mit Mistgabeln der Sau nach, der ausgebüxten – und fassen sie? Ach. Es passierte ja. Unter der Hand oder unter der Haube, unter dem Laub. Ich steh bei den Mädchen, ich sag‘s nicht bloß aus Erzählung. Streut eine hin, kehrt eine aus ... Also werde ich weinen? Lernen vom Stein, der sich barmherzig zeigt, aus Unmenschlichkeit. Dass ich atme, wie unter Betäubung noch, brüsk, dass ein Nicht-mehr gegen ein Noch-nicht spielt – und vergibt? Unmenschlich. Wie alles derart bei sich ist.
Sehnsucht nach Ruhe in Bewegung
Rike Scheffler
Sehnsucht nach Ruhe in Bewegung. Schöpfung bahnt sich durch Teilung. Bäche aus Blättern. In manchen Sprachen ist Urwasser dasselbe Wort wie Zwilling, das doppel-, vielgesichtig, nicht aus der Umarmung anderen Wassers lassen will: Erdinseln hinaufgetaucht, Wasserschlangen, Fruchtwasser, ein Mini-Ozean phylogenetischer Verfahren. Eschen, Amphibien. Ein Wiegenlied für Mütter, in einer Hütte gesungen. Mehr Verwüstung. Die Azteken opferten Thlaloc weinende Kinder, um die Wasserreserven der Lagunen aufzufrischen. Sie war in einem Prozess des Werdens, Ritus, Urwald, der im Wasser ruht. Moos im Magen, Meere im Blut. Quallen, Fische, Hunde weisen dieselben Salze in beinahe der gleichen Zusammensetzung auf: Kiemenbögen, Sintflut, Atlantis. Sedimente im Gedächtnis, synchron, zugleich: Symptom. Haoma, Makara, ein Elexier: ‚siwlkw‘. [ʂi’wɑkɧ]. [sea_walk] [seal_walk] [she_will_walk]. We will_
Alle Gedichte
Autor*innen
Jan Wagner
Jan Wagner, geboren 1971 in Hamburg, lebt seit 1995 in Berlin. Er ist Lyriker, Essayist und Übersetzer englischsprachiger Lyrik. Bis 2003 gab Wagner die internationale Literaturschachtel "Die Aussenseite des Elementes" mit heraus – eine Gedichtsammlung aus losen Blättern, die in einer Schachtel präsentiert wurden. Seinen ersten eigenen Gedichtband "Probebohrung im Himmel" veröffentlichte Wagner 2001. Seitdem publizierte er seine Gedichte in zahlreichen Gedichtsammlungen, Anthologien und Zeitschriften und erhielt dafür unter anderem den Preis der Leipziger Buchmesse (2015) sowie den Georg-Büchner-Preis (2017). Zuletzt erschien 2019 von ihm und Federico Italiano im Hanser Verlag die Anthologie "Grand Tour. Reisen durch die junge Lyrik Europas". Wagner ist unter anderem Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und des P.E.N.-Zentrums Deutschland.
Daniela Seel
Daniela Seel wurde 1974 in Frankfurt am Main geboren und lebt als Dichterin, Übersetzerin und Verlegerin in Berlin. 2003 gründete Seel gemeinsam mit dem Buchgestalter und Illustrator Andreas Töpfer den Independent-Verlag kookbooks – Labor für Poesie als Lebensform, einen der bedeutendsten deutschen Verlage für Gegenwartslyrik. Für ihren ersten Gedichtband "ich kann diese stelle nicht wiederfinden", 2011 bei kookbooks erschienen, erhielt sie den Friedrich-Hölderlin-Förderpreis, den Ernst-Meister-Förderpreis und den Kunstpreis Literatur von Lotto Brandenburg. 2015 folgte ihr Gedichtband "was weißt du schon von prärie". Ihre Gedichte erschienen in Zeitschriften, Zeitungen, Anthologien, in Radio und Internet und wurden bisher in 13 Sprachen übersetzt.
Rike Scheffler
Rike Scheffler, geboren 1985 in Berlin, ist Lyrikerin und Musikerin. Sie studierte Psychologie in Berlin sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und erhielt zahlreiche Förderungen und Stipendien, beispielsweise durch die Stiftung Brandenburger Tor, die Akademie der Künste Berlin oder das Goethe-Institut. Ihr Gedichtband "der rest ist resonanz", erschienen 2014 bei kookbooks, gewann den Orphil-Debutpreis für politisches und avantgardistisches Schreiben. Scheffler veröffentlicht in Zeitschriften und Anthologien, vertont ihre Texte aber auch teilweise zu szenischen Lied-, Text- und Klangcollagen. Dafür kollaboriert sie auch häufig mit anderen Künstler*innen und ist Mitglied im Berliner KOOK e.V. – einem Literatur-, Musik- und Künstler*innennetzwerk. Zu Schefflers jüngsten Arbeiten gehört auch die Soundinstallation Becoming Water, die sie 2019 im Palais de Tokyo in Paris präsentierte. Im Oktober erschien Schefflers neuer Gedichtband "Federn im Flug" bei Kookbooks.
Monika Rinck
Monika Rinck, geboren 1979 in Zweibrücken, studierte Religionswissenschaft, Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft in Bochum, Berlin und Yale. Ihre künstlerische Arbeit ist interdisziplinär: Rinck verfasst Lyrik, Essays und Prosa, ist als Übersetzerin tätig und schreibt Liedtexte. Außerdem arbeitet sie mit ihrem begriffsstudio an einer Art stetig wachsenden digitalen Gegenwartslexikon, inspiriert durch sonderbare Begriffe und Wortbildungen aus dem Medienalltag. Für ihre literarischen Arbeiten erhielt Rinck zahlreiche Auszeichnungen, beispielsweise den Ernst-Meister-Preis 2008, den Kleist-Preis 2015, den Ernst-Jandl-Preis 2017 und 2021 den Berliner Literaturpreis. Ihre Texte erschienen in verschiedenen Verlagen, Anthologien und Literaturzeitschriften. Rinck ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Akademie der Künste in Berlin, wo sie auch lebt.
Anja Kampmann
Anja Kampmann wurde 1983 in Hamburg geboren. Sie studierte an der Universität und dem deutschen Literaturinstitut Leipzig. Seit ihren ersten Erfolgen bei Literaturwettbewerben 2006, wurde sie für ihre Lyrik und Prosa mehrfach ausgezeichnet und durch Stipendien gefördert, beispielsweise durch das International Writing Program Iowa. 2016 erschien ihr Lyrikdebüt "Proben von Stein und Licht" in der Edition Lyrik Kabinett beim Hanser-Verlag, 2017 folgte "Fischdiebe". Ihr 2018 erschienenen Roman "Wie hoch die Wasser steigen" wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse und den Deutschen Buchpreis nominiert und in verschiedene Sprachen übersetzt. Die englischsprachige Übersetzung war 2020 für den US-amerikanischen Buchpreis "National Book Awards" nominiert. Im Frühjahr 2021 erschien im Hanser Verlag Kampmanns Gedichtband "Der Hund ist immer hungrig".